Lernen unter Stress oder Angst...
Was passiert aber überhaupt
im Gehirn, wer zieht die Fäden, wer ist für was
zuständig?
Amygdala:
Dieses kleine, mandelförmige Areal im Gehirn ist das Zentrum
für die Verarbeitung von Emotionen, insbesondere Angst und
Furcht. Bei Stress oder Angst wird die Amygdala stark
aktiviert.
Hippocampus: Diese
Region ist entscheidend für das Lernen und die Bildung neuer
Erinnerungen.
Präfrontaler
Kortex: Dieser Bereich ist für höhere kognitive
Funktionen wie Planung, Entscheidungsfindung, Impulskontrolle
und auch für das bewusste Lernen zuständig.
Die hormonelle
Reaktion: Die Stressachse (HPA-Achse)
Wenn der Hund eine Bedrohung
wahrnimmt, wird eine Kaskade von Ereignissen ausgelöst, die als
Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse)
bekannt ist:
Hypothalamus: Dieser Teil
des Gehirns setzt das Hormon Corticotropin-Releasing-Hormon
(CRH) frei.
Hypophyse: CRH stimuliert
die Hypophyse, das Adrenocorticotropin (ACTH)
freizusetzen.
Nebennierenrinde: ACTH
gelangt über das Blut zu den Nebennieren, die daraufhin das
Stresshormon Cortisol ausschütten.
Cortisol:
Funktion: Cortisol hat viele
Funktionen, darunter die Bereitstellung von Energie (durch
Freisetzung von Glukose), die Unterdrückung des Immunsystems
und die Reduktion von Entzündungen.
Auswirkungen auf das
Lernen:
Beeinträchtigung des
Hippocampus: Chronisch hohe Cortisolspiegel können die Funktion
des Hippocampus beeinträchtigen und sogar zu einer Schrumpfung
bestimmter Bereiche führen. Da der Hippocampus für das Lernen
und die Gedächtnisbildung unerlässlich ist, wird die Fähigkeit,
neue Informationen aufzunehmen und zu speichern, stark
reduziert.
Reduzierte Aktivität im
präfrontalen Kortex: Cortisol kann die Aktivität im
präfrontalen Kortex herabsetzen. Da dieser Bereich für das
bewusste Lernen und die Verarbeitung neuer Informationen
wichtig ist, führt dies zu einer verminderten
Lernfähigkeit.
Fokus auf Bedrohung:
Cortisol kann den Fokus des Hundes stärker auf die
wahrgenommene Bedrohung lenken und die Aufmerksamkeit von
Lernsignalen ablenken.
Die Rolle von
Neurotransmittern:
Neurotransmitter sind
chemische Botenstoffe, die Signale zwischen Nervenzellen
übertragen. Bei Stress und Angst spielen folgende
Neurotransmitter eine wichtige Rolle:
Adrenalin (Epinephrin) und
Noradrenalin (Norepinephrin): Diese werden im Nebennierenmark
freigesetzt und sind Teil der akuten Stressreaktion
(Sympathisches Nervensystem).
Funktion: Sie erhöhen die
Herzfrequenz, den Blutdruck, die Atemfrequenz und die
Aufmerksamkeit. Sie bereiten den Körper auf Kampf oder Flucht
vor.
Auswirkungen auf das
Lernen:
Erhöhte Erregung: Während
eine gewisse Erregung das Lernen fördern kann, führt eine
übermäßige Erregung durch Adrenalin und Noradrenalin zu einer
Überforderung des Nervensystems. Der Hund ist zu aufgeregt und
unruhig, um sich auf neue Informationen zu
konzentrieren.
Fokus auf Bedrohung: Diese
Neurotransmitter verstärken die Aufmerksamkeit auf potenzielle
Gefahren und lenken sie vom Lernprozess ab.
Dopamin:
Dieser Neurotransmitter ist
unter anderem für Motivation und Belohnung zuständig.
Auswirkungen auf das Lernen: Stress kann die
Dopamin-Signalübertragung stören. Da Lernen oft durch positive
Verstärkung (Belohnung) erfolgt, kann eine beeinträchtigte
Dopamin-Ausschüttung die Motivation und die Fähigkeit, aus
positiven Erfahrungen zu lernen, reduzieren.
Serotonin:
Dieser Neurotransmitter
spielt eine Rolle bei der Stimmungsregulation und
Angstbewältigung. Auswirkungen auf das Lernen: Ein
Ungleichgewicht im Serotoninspiegel, das durch chronischen
Stress entstehen kann, kann zu erhöhter Angst und einer
verminderten Fähigkeit führen, mit Stress umzugehen und in
stressigen Situationen zu lernen.
"Amygdala-Hijack":
In extremen
Stresssituationen kann die Amygdala die Kontrolle über den
präfrontalen Kortex übernehmen. Dieses Phänomen wird oft als
"Amygdala-Hijack" bezeichnet. Die emotionale Reaktion (Angst)
wird so stark, dass die rationale Denkfähigkeit und die
Fähigkeit zur Verarbeitung neuer Informationen im präfrontalen
Kortex stark eingeschränkt werden. Der Hund reagiert instinktiv
auf die Bedrohung, ohne die Kapazität für bewusstes Lernen zu
haben.
Zusammenfassend
lässt sich sagen:
Wenn ein Hund extrem
gestresst oder ängstlich ist, priorisiert sein Gehirn das
Überleben. Die hormonelle Stressreaktion (insbesondere die
Ausschüttung von Cortisol und Adrenalin/Noradrenalin) und die
Veränderungen in der Neurotransmitteraktivität führen zu
folgenden Beeinträchtigungen, die das Lernen
verhindern:
Reduzierte Funktion des
Hippocampus: Erschwert die Bildung neuer
Erinnerungen.
Verminderte Aktivität des
präfrontalen Kortex: Beeinträchtigt das bewusste Lernen und die
Verarbeitung neuer Informationen.
Übermäßige Erregung und
Unruhe: Macht es schwer, sich zu konzentrieren.
Starker Fokus auf die
wahrgenommene Bedrohung: Lenkt die Aufmerksamkeit vom
Lernprozess ab.
Mögliche Störungen in der
Dopamin- und Serotonin-Signalübertragung: Beeinträchtigen
Motivation und Stimmungsregulation, was das Lernen zusätzlich
erschwert.
Es ist daher entscheidend, dass Hunde sich in einer sicheren und entspannten Umgebung befinden, um effektiv lernen zu können. Stress und Angst blockieren die Lernfähigkeit und können sogar unerwünschte Verhaltensweisen hervorrufen oder verstärken.